Absolventen des Mons-Tabor-Gymnasiums Montabaur als Gäste auf dem Bürgerempfang
Der diesjährige Bürgerempfang von Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der Mainzer Staatskanzlei stand ganz im Zeichen junger Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagieren. Eingeladen waren ebenfalls neun Absolventen des Mons-Tabor-Gymnasiums Montabaur mit ihrem ehemaligen Geschichtslehrer, die sich allesamt auf dem Gebiet der lokalen und regionalen Gedenkarbeit im Westerwald über die Schule hinaus rege betätigt haben und deren Projekte bereits zu einem erfolgreichen Ende gebracht worden sind.
„Das großartige Engagement der vielen jungen Menschen, die heute gekommen sind, erfüllt mich mit Stolz und Wertschätzung“, stellte Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu Beginn in ihrer Begrüßungsansprache fest. Die zehn Westerwälder konnten die Rede der SPD-Politikerin direkt in der ersten Reihe mitverfolgen und freuten sich über deren anerkennende Worte. „Ihr Engagement macht Sie zu Helden und Heldinnen des Alltags von heute und von morgen. Sie alle eint, dass Sie sich als junge Menschen für die gemeinsame Sache engagieren; für das, was uns alle angeht. Sie mischen mit Begeisterung und klugen, neuen Ideen mit.“
Das vielfältige Programm ermöglichte der Abordnung aus Montabaur auch eine Führung durch die Staatskanzlei mit u.a. der Besichtigung des Kabinettssaals und des Arbeitszimmers der Ministerpräsidentin, wo sie am Schreibtisch der Regierungschefin Probe sitzen konnten. Nach dem Mittagsbuffet empfing Malu Dreyer dann die Westerwälder, um sich in einer längeren Aussprache nach deren bisherigem Engagement zu erkundigen, das schon mehrfach in Mainz Aufmerksamkeit erregt hatte.
Kurslehrer Dr. Markus Müller konnte zu Beginn die überraschte Ministerpräsidentin darüber informieren, dass er in erschreckenden 83 Prozent der Kreisgemeinden des Westerwaldkreises NS-Opfer nachweisen konnte, die vielfach unbekannt seien oder verschwiegen wurden. Die ehemaligen Schülerinnen und Schüler erläuterten anhand ihrer angeleiteten eigenen Rechercheergebnisse Beispielfälle der verschiedenen, weniger beachteten Opfergruppen, die auf großes Interesse bei der sichtlich bewegten Landesmutter stießen. Das Gespräch konzentrierte sich dann auf zwei besondere Schicksale, für die Erinnerungsobjekte aktuell im Findungsprozess sind. Anton Ebbinghaus und Marius Lange berichteten Malu Dreyer vom unfassbaren Schicksal des tschechischen Zwangsarbeiters Josef Danda aus Prag (1913-1966), der zwischen 1939 und 1943 fünf Konzentrationslager (KL) in sechs Aufenthalten durchlaufen musste. Ihre Aufarbeitung der Biografie hatte bereits zu Beginn das Interesse des tschechischen Botschafters Kafka in Berlin gefunden. Im vergangenen Jahr waren sie dann mit weiteren Kursmitgliedern und ihrem Lehrer in die Tschechische Botschaft zur Übergabe ihrer Studie eingeladen worden. Ihre beiden Nachfolgerkurse im Grundkursbereich knüpften an diese Vorarbeit an und erstellten zum Gedenken an Danda verschiedene Erinnerungstafeln. Mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Prag und dem tschechischen Außenministerium laufen derzeit intensive Bemühungen, um den Weg zu ebnen, damit an Dandas letztem Wohnhaus vor dem Abtransport ins Deutsche Reich einer der Entwürfe umgesetzt wird. Dieses herausragende deutsch-tschechische Versöhnungsprojekt bewertete die Ministerpräsidentin als eindrucksvolle Idee.
Nils Krause und Karl Bauer zeigten Dreyer schließlich ihre selbst entworfenen Gedenkplaketten für den in Dachau umgekommenen Franz Kleck aus Merkelbach (1908-1945) und für den zuletzt aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreiten August Schäfer III aus Nister (1893-1959). Dass mit deren Gestaltung nicht nur bloße Fakten vermittelt würden, sondern den Opfern tatsächlich ein Gesicht gegeben würde, gefiel der rheinland-pfälzischen Regierungschefin ganz besonders. Die beiden Abiturienten informierten sodann über die exponierte Stellung des Zeugen Jehovas Louis Pfeifer aus Bad Marienberg (1895-1945), dessen Festnahme im Dezember 1936 eine Verhaftungswelle im Westerwald und zwei hessischen Nachbarkreisen auslöste. Die über Jahre hinweg durch ihren Lehrer in Deutschland, Österreich, Tschechien, Polen und den USA erforschte Biografie, die im Mai 2024 publiziert wird, habe ihnen die Möglichkeit zur Begründung eines Erinnerungsortes gegeben. Die entwickelte Idee eines Kleindenkmals traf auch bei Malu Dreyer auf großes Interesse.
Die Ehemaligen des Mons-Tabor-Gymnasiums betonten zum Schluss, dass sie stellvertretend für alle ihre ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler aus den beteiligten Geschichtskursen angereist seien und dass sie ihre Einladung als Wertschätzung für die kompletten Lerngruppen verstehen. Sie hätten die forschende und kreative Form des Geschichtsunterrichts als außergewöhnlich und anregend empfunden und seien für die gewonnenen Erfahrungen dankbar. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto gab Ministerpräsidentin Dreyer zuletzt noch eine Botschaft dem Pädagogen mit auf dem Weg: „Und Sie, Herr Müller, machen Sie bitte weiter so! Solche Lehrer brauchen wir.“
Die empfangenen Gäste des Mons-Tabor-Gymnasiums Montabaur und ihre Projekte
Anton Ebbinghaus und Marius Lange hatten das Schicksal des Tschechen Josef Danda erforscht, der im Reichsautobahnlager Elgendorf Zwangsarbeit verrichten musste und von dort als politischer Häftling in mehrere KL deportiert wurde. Felipe Rohde und Charlotte Schleppegrell widmeten sich der Biografie des ebenfalls politisch verfolgten Kommunisten Karl Meisel aus Höhr-Grenzhausen, der als Häftling die großen KL Sachsenhausen und Buchenwald selbst miterrichten musste. Den „Heimtücke“-Fall des Rothenbachers Wilhelm Kornab, der wegen einer unbedachten Äußerung nach Dachau kam und als gebrochener Mann zurückkehrte, hatte sich Julian Hannappel vorgenommen. Anneli Dillmann und Jan Hübinger hatten die bestehende Erinnerungskultur im Westerwaldkreis einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen und weitergehende Ideen entwickelt. Nils Krause und Karl Bauer fertigten Gedenktafelentwürfe für den katholischen Jugendfunktionär Franz Kleck aus Merkelbach und den als „arbeitsscheu“ verunglimpften August Schäfer III aus Nister an, die schon umgesetzt sind oder in Kürze sein werden. Dr. Markus Müller hat über Jahre hinweg systematisch unbekannte und verdrängte NS-Verfolgte aus dem Westerwaldkreis national und international erforscht und für seine Schulprojekte genutzt.
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