Grundkurs Geschichte des Mons-Tabor-Gymnasium auf Veranstaltung des Landtags Rheinland-Pfalz
Über den regionalen Rahmen hinaus haben sowohl ein Leistungskurs als auch zwei Grundkurse Geschichte am Mons-Tabor-Gymnasium Montabaur sich bereits einen Namen durch sehr konkrete Gedenkarbeit gemacht, die letztlich zu bleibenden Erinnerungen und Stiftungen von Gedenkorten geführt hat. Dieses ungewöhnliche Engagement ist längst auch bis in die Landeshauptstadt Mainz vorgedrungen, sodass Kurslehrer Dr. Markus Müller Ende März 2023 die Möglichkeit erhielt, im Plenarsaal des Landtags Rheinland-Pfalz über seine Forschungen zu „vergessenen Opfer“ der NS-Diktatur im Westerwald zu sprechen. Es folgte eine Einladung seines Grundkurses 12GG3 zur Mitwirkung an der Veranstaltung #weitergedenken im Landtag am 8. Mai 2023. Im Untertitel „Kreative Formate in Gedenkarbeit und Demokratiebildung“ traf sich die Intention des Landtags, neue Ideen, Formate und Medien für die Zukunft der Erinnerung und der Demokratiebildung auszuloten, mit Projekten, die der Geschichtslehrer an seiner Schule bereits erfolgreich durchgeführt hat:
Der Leistungskurs Geschichte im Abiturjahrgang 2022 hatte drei Beispielbiografien bisher wenig und gar nicht beachteter Opfergruppen der Region selbst angeleitet erforscht und im Jahrbuch des Westerwaldkreises „Wäller Heimat“ 2023 publiziert. Auch die Gedenkkultur des Westerwaldkreises wurde in einem Beitrag analysiert und durch neue Ideen erweitert. Erinnerungen an den in Dachau umgekommenen katholischen Jugendfunktionär Franz Kleck aus Merkelbach (1908-1945), dem man Homosexualität vorwarf, sowie an den angeblich „arbeitsscheuen“ Auschwitz-Überlebenden August Schäfer III aus Nister (1893-1959) sind nicht zuletzt durch die Gestaltung von Gedenktafeln durch die Grundkurse der Jahrgangsstufen 11 und 12 dauerhaft präsent. Erinnerungsplaketten sind in den beiden Westerwaldgemeinden bereits angebracht oder werden es noch im Laufe des Jahres.
Im Landtag Rheinland-Pfalz hatten die Grundkurs-Mitglieder am „Tag des Kriegsendes“ zunächst Gelegenheit, Projekte anderer Schulen aus dem Land kennenzulernen und auf ihre Anwendungsmöglichkeiten im Westerwälder Raum kritisch zu hinterfragen. Auf einem öffentlich zugänglichen „Markt der Möglichkeiten“ präsentierten sie für eine von zwei Schulen aus dem Land auf Stellwänden und in einer Fotoshow zudem Eindrücke von Planungen, Umsetzungen und Ergebnissen ihrer eigenen bisherigen Projekte und fanden dabei reges Interesse. Nach einer kurzweiligen Führung durch das Parlamentsgebäude vermittelten ihnen schließlich verschiedene Workshops „moderne“ Möglichkeiten der Gedenkarbeit, von Social Media bis hin zu Computerspielen und Künstlicher Intelligenz. Dabei zeigte sich etwa Ulrich Herrmann vom SWR in der abschließenden Veranstaltung sehr beeindruckt über die Ernsthaftigkeit und Tiefe der Diskussionen, in denen sich Referent und Jugendliche „auf Augenhöhe“ begegnet seien. Die Zeitzeugin Eva Umlauf, selbst Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz, lobte Schülersprecher Maxim Chetchouga stellvertretend für das intelligente und eloquente Auftreten der Montabaurer, die aus vier der sechs Workshops Ideen und Bewertungen vorstellten und dafür viel Zuspruch erhielten. Und auch Kurslehrer Müller zollten alle Anwesenden im vollbesetzten Plenarsaal mit großem Applaus Respekt, als Benedikt Hutya die entscheidende motivierende Form des Unterrichts als Mischung von Pflicht und Kür aus Sicht der Lernenden lobend herausstellte.
Die Schülergruppe aus Montabaur nahm auch konkrete Anregungen aus den Workshops mit nach Hause und diskutierte am folgenden Tag im Nachmittagsunterricht, ob sie in ihrem aktuell angelaufenen Unterrichtsprojekt zusätzlich neue Wege der Gedenkarbeit beschreiten soll. Im Fokus der momentanen Kreativarbeit steht dieses Mal der Zeuge Jehovas Louis Pfeifer (1895-1945) aus Bad Marienberg/Zinhain, dessen Biografie ihr Lehrer in etlichen Sommerferien über Jahre hinweg umfassend aufgearbeitet hat. Dabei wurden erstmals u.a. die Gestapo-Verhörprotokolle ausgewertet und sogar Akten im Archiv der tschechischen Hauptstadt Prag erschlossen, die nun auch die Schüler als völlig unbekanntes Unterrichtsmaterial zu Gesicht bekommen. Pfeifer wurde zur unfreiwilligen Schlüsselfigur für die Verhaftung von zahlreichen seiner Glaubensgenossen im Westerwald („Aktion Oberwesterwald“), im Kreis Biedenkopf und im Kreis Wetzlar ab 1936. Unter massivem Druck gab er nach zunächst standhaften Weigerungen erst in Vernehmungen am Hauptsitz der Staatspolizeistelle Frankfurt/Main Namen bekannt und musste selbst u.a. die Emslandlager als „Moorsoldat“ sowie die Konzentrationslager Buchenwald, Lublin-Majdanek, Auschwitz und Mauthausen durchleiden. Letztendlich kam er nach unglaublichen jahrelangen Torturen kurz vor Kriegsende ums Leben.
Einig waren sich die Kursmitglieder, dass auch in diesem Fall eine von ihnen entworfene Gedenktafel, die vor Ort in Zinhain angebracht werden könnte, als nachhaltige, über Jahrzehnte bleibende Form der Erinnerung die beste Lösung darstelle. Doch auch digitale Zusätze in Form z.B. eines Flyers, der über einen QR-Code abrufbar ist, oder die Schaffung einer Instagram-Präsenz wurden kontrovers diskutiert. Ihrer Verantwortung für die bleibende Wahrnehmung eines durch Unrecht Umgekommenen sind sich die jungen Erwachsenen besonders bewusst. „Bei allem Trend zu digitalen Neuerungen und Social Media müssen der Respekt und die Menschenwürde besonders gewahrt bleiben“, betonen sie einhellig. Auch Landtagspräsident Henrik Hering scheint sich sicher zu sein, dass die weiteren Projekte im etablierten Rahmen am Mons-Tabor-Gymnasium kreative und nachhaltige Erinnerungsarbeit schaffen werden. „Was in Montabaur läuft, ist einfach vorbildlich“, meinte er in seinem Schlusswort.
Weitere Fotos der Veranstaltung gibt es in der Galerie.
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