Der französische Autor Didier Daeninckx am MTG

22. November 2016 Französisch

„Aller sur place, modifier votre manière de voir les choses – c’est l’essentiel“ (sinngemäß übersetzt: „Hingehen, mit eigenen Augen sehen: das verändert die eigene Einstellung und das ist das Wichtigste.“)

Dieser Leitspruch bestimmt die Arbeit des französischen Autors Didier Daeninckx. Für den Fremdsprachenunterricht könnte man den Satz folgendermaßen abändern: Um etwas über ein Land zu erfahren, muss man seine Literatur lesen. Didier Daeninckx, der für seine sozialkritischen Kriminalromane über Frankreich hinaus bekannt ist, ist für den Französischunterricht ein Glücksfall: seine Romane sind ‚Landeskunde pur’.

Cannibale (dt. Die Reise eines Menschenfressers nach Paris) und der preisgekrönte Roman Meurtres pour Mémoire (dt. Bei Erinnerung Mord) verändern die Sichtweise des Lesers. Beide Romane beschäftigen sich mit dunklen Seiten der Geschichte unseres Nachbarlands, die eng mit der deutschen Geschichte verbunden sind. Der Roman Cannibale, in dessen Zentrum die Pariser Kolonialausstellung von 1931 und die im 19. Jahrhundert auch in Deutschland beliebten Menschenzoos stehen, wirft einen kritischen Blick auf den Kolonialismus und auf die damalige – und, so möchte man hinzufügen, – teilweise auch heutige Sicht auf außereuropäische Kulturen. Meurtres pour mémoire, ein Néopolar français (eine Untergattung des Kriminalromans, die Daeninckx mitbegründete), handelt von André Veillut, der für das Massaker an Algeriern verantwortlich war, die am 17. Oktober 1961 in Paris friedlich gegen die sie verhängte Ausgangssperre demonstrierten. Die Romanfigur Veillut ist niemand anderer als Maurice Papon, ein hoher Beamter des Vichy-Regimes. Papon war in den 60er Jahren Polizeipräfekt von Paris und später Finanzminister. 1998 wurde er für die von ihm begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Er starb 2007. Der Roman erschien 1984 bei dem renommierten Verlag Gallimard und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. In Frankreich war der 17. Oktober 1961 vor dem Erscheinen des Romans ein Tabuthema. 2012 erhielt Daenickx für seinen Novellenband L’Espoire en contrebande den Prix Goncourt de la nouvelle, den wichtigsten französischen Literaturpreis.

In der gut besetzten Aula des Mons-Tabor-Gymnasiums sprach Didier Daeninckx am 16. November über seinen Werdegang als Schriftsteller, über die geschichtlichen Hintergründe von Cannibale und Meurtres pour mémoire, sowie über die bei jungen Lesern beliebte Geschichte eines algerischen Katers Le chat de Tigali. Weiterhin stellte er den Roman Galadio vor: Galadio steht für das vergessene Schicksal der Mischlingskinder, die den Liebesbeziehungen zwischen deutschen Frauen und schwarzen französischen Besatzungssoldaten 1923 im besetzten Ruhrgebiet entstammen.Anschließend beantwortete Didier Daeninckx Fragen der Schüler, die weit über seine Bücher hinausgingen: das schwierige Leben in den französischen Vorstädten und die Radikalisierung der muslimischen Bevölkerung, die in Frankreich gesetzlich verankerte Trennung von Kirche und Staat, die Flüchtlingskrise, das Flüchtlingscamp von Calais, das er lange vor dessen Räumung besuchte.

Das Urteil eines Zehntklässlers über Cannibale, das Buch, das er auslieh und am folgenden Tag gelesen zurückgab: „Super! Ich konnte einfach nicht aufhören, ich musste immer weiterlesen. Nach sechs Stunden war ich durch Ein echter Page-Turner.“ Der Schüler las das Buch im französischen Original.

Ulrike Weiwad-Klenk für den Fachbereich Französisch

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